Kunst und Literatur
Das Fischlandhaus ist ein unter Denkmalschutz stehendes Hochdielenhaus, wie es typisch für unsere Region ist. Das etwa 200 Jahre alte Hochdielenhaus beherbergt heute eine reizvolle kleine Bibliothek für Gäste wie Einheimische und eine Galerie. Im Jahr 2010 wurde das Gebäude aufwendig saniert und um einen Veranstaltungsraum ergänzt. In den Galerieräumen finden jährlich drei Ausstellungen in Kooperation mit dem Kunstmuseum Ahrenshoop statt, ergänzt durch regelmäßige Konzerte und Lesungen.
Aktuelle Ausstellung:
„René Graetz (1909-1974) - Skulpturen und Grafiken“
Die Frühjahrsausstellung im Fischlandhaus Wustrow erinnert an den Bildhauer und Grafiker René Graetz, einen kosmopolitischen Menschen und Künstler, der mit seiner Frau, der Zeichnerin und Kinderbuchautorin Elizabeth Shaw, und seinen Kindern Anne und Patrick viele Sommer in Ahrenshoop verbrachte. Ihr Aufenthaltsort war dort meistens das Haus der mit ihnen eng befreundeten Künstlerfamilie Spies-Sandberg. Die Ahrenshooper Tage waren glückliche Intermezzi in einem ansonsten sehr bewegten und an Kämpfen reichen Künstlerleben. Die Ausstellung im Fischlandhaus Wustrow, die in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Ahrenshoop entstand, gibt Einblick in wesentliche Bereiche des Schaffens von René Graetz, von den 1940er Jahren bis in die letzte Lebenszeit des Künstlers.
Gezeigt werden etwa 50 Skulpturen und Arbeiten auf Papier in den Techniken der Pastell- und Aquarellmalerei, der Feder- und Pinselzeichnung, der Lithografie, der Radierung und des Siebdrucks, viele davon farbig. Aus diesen Werken spricht ein welterfahrener und lebenszugewandter, temperamentvoller, von den Ereignissen seiner Zeit herausgeforderter Mensch und Künstler.
René Graetz hatte sich als Sohn einer in der Schweiz lebenden Einwandererfamilie mit deutschen und italienischen Wurzeln bis 1946 außerhalb Deutschlands aufgehalten. Nach einer Ausbildung zum Drucker in Genf hatte er fast ein Jahrzehnt lang in Südafrika diesen Beruf ausgeübt. In Kapstadt besuchte er zudem eine Kunstschule und begann bildhauerisch zu arbeiten. 1938 kehrte Graetz nach Europa zurück –nach Paris und dann nach London –, wurde aber nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges als Deutscher erst in England, dann in Kanada interniert. 1941 aus der Internierung entlassen, fasste er in London Fuß, wo er den Bildhauer Henry Moore kennenlernte. Für Graetz wurde diese Begegnung zu einem wichtigen Angelpunkt seines Denkens – ebenso wie die Beschäftigung mit dem Werk Pablo Picassos. Doch dauerte es beinahe dreißig Jahre, bis er der von Moore ausgegangenen Ermutigung zur autonomen, nur dem eigenen Formtrieb folgenden Schöpfung rückhaltlos Raum gab. Außer Theo Balden, mit dem er immer freundschaftlich verbunden blieb, traf René Graetz in London auch Elisabeth Shaw. Sie heirateten 1944 und gingen nach dem Krieg nach Ostberlin.
Anders als ein Emigrant wie Balden, aber auch anders als Künstler wie Karl Hofer, die im Nationalsozialismus verfemt und in die „innere Emigration“ gedrängt worden waren, kannte Graetz das Geschehen in Deutschland nur aus der Ferne. Sein Anspruch, künstlerisch zum Aufbau einer menschenwürdigen Gesellschaft beizutragen, war insofern nicht vom Erlebnis des Scheiterns im Nationalsozialismus überschattet. Umso stärker war er von den bald schon einsetzenden Formalismusvorwürfen gegen seine Kunst betroffen. Sie hatten insofern Auswirkungen auf sein Werk, als er sich über lange Jahre im Bemühen um eine „realistische“ Form an Kollegen wie Fritz Cremer, Gustav Seitz und Waldemar Grzimek orientierte. Ende der 1950er Jahre wirkte Graetz an den Denkmalsgestaltungen für die musealisierten ehemaligen Arbeits- und Vernichtungslager Buchenwald und Sachsenhausen mit. Ein Krankenhausaufenthalt führte 1970 zur inneren Befreiung des Künstlers. „Mein Formgefühl ist verbraucht“, schrieb er damals. „Ich muß innehalten und nachdenken – nachdenken über alles, was ich in den letzten zwanzig Jahren meines Lebens gemacht habe. In vielerlei Hinsicht habe ich 20 Jahre meines Lebens verloren.“ Als kurz darauf die Serie seiner „Upright Figures“ einsetzte, konnte er notieren: „Nun weiß ich, dass ich ganz bei mir selbst angekommen bin.“
Die in der Ausstellung im Fischlandhaus versammelten Werke zeigen, dass René Graetz in seinen Zeichnungen und seiner Grafik zu allen Zeiten seines Schaffens künstlerische Freiräume gefunden und auf eindrucksvolle Art ausgefüllt hat. Viele der gezeigten Blätter handeln von Momenten großer Liebe und Bewunderung, die den Künstler im Alltag bewegten. Andere handeln auf eine metaphorische Art von Menschen, Bäumen, Tieren, die den Stürmen des Lebens ausgesetzt sind. Sie handeln vom Meer als einer Urgewalt, vor der die menschliche Hybris zum Stillstand kommt. Und sie handeln – wie die Serie seiner Siebdrucke zum Phönix-Thema – von Momenten der Leichtigkeit und des Strebens zum Licht.
Die Ausstellung ist vom 18. März 2023 bis 11. Juni 2023 zu sehen.
Öffnungszeiten:
Mo, Die 10 – 12 und 14 – 17 Uhr
Do 10 – 12 und 14 – 18 Uhr
Fr, Sa, So, Feiertag 11 – 16 Uhr
Fischlandhaus Wustrow, Neue Straße 38, 18347 Ostseebad Wustrow
Telefon 038220 80465